Dienstag, 6. Dezember 2011

4. Trainingswoche 28.11.11 – 04.12.2011


Regen – ein "Ork"  – und vieles Aufregendes mehr

Nach 2 Läufen vom Arbeitsplatz nach Hause sah die Wochenplanung zum Abschluss noch einen langen langsamen Lauf vor. Sonntagmorgen um 7:30Uhr machte ich mich bei strömendem Regen auf den Weg. Die anfängliche Dunkelheit überbrückte ich mit einem Streckenabschnitt entlang der Landstraße und anschließend durch das Industriegebiet Lehnscheid. In Wilnsdorf angekommen, ließ der Regen etwas nach und die Lichtverhältnisse wurden auch spürbar besser. Auf der Höhe des Wielandhofes bog ich nach rechts in Richtung des „Grubenweges“ ab, als ich knapp 100 Meter vor mir zwei Männer mit einem Hund entdeckte. Fast zeitgleich drehten sich die Beiden zu mir um und einer von ihnen begann sofort mit hektischen aber bestimmten Handzeichen anzudeuten, dass es definitiv besser wäre meinen Lauf doch für einen kleinen Moment zu unterbrechen. Warum? Unangekündigte Dopingkontrolle? Kostenloser Laktattest? Erdloch? Weit gefehlt ... denn genau auf halber Distanz zwischen den beiden Männern und mir malte sich am Waldrand ein zweiter Hund von beachtlicher Größe im Unterholz ab. Dieser Hund befand sich unübersehbar in einer bedeutungsvollen, ernstzunehmenden und nicht leichten Entscheidungsphase. Er hatte offensichtlich die folgende Wahl: Sollte er seinem inzwischen immer lauter rufendem Herrschen folgen und einfach, banal und ebenso langweilig nur „Sitz machen“, um genervt abzuwarten wieder an die leidige Kette gelegt zu werden, oder würde es nicht doch wesentlich mehr Spaß machen dem leuchtend gelb/orange gekleideten, angstverschwitzten „Spielzeug“ einen Aufmerksamkeitsbesuch abzustatten. Das Herrschen schien langsam aber sicher die Geduld zu verlieren. Es ging zwar um mich, aber ich war wohl der Einzige der an der Situation nichts ändern konnte. Auch der Hund schien seiner Entscheidung immer näher zu kommen. Sein ganzes Interesse galt inzwischen ausschließlich mir. Es war so weit, die  Hängepartie fand ein Ende. Er fokussierte sabbernd das Neue, das Unbekannte, den mit Reflektionsstreifen zugekleisterten, bewegungslosen Angstschisser. Kurz bevor die wieder angelegte Leine für eine gewisse Deeskalation und Entspannung hätte sorgen können, begann er langsam trabend, aber zunehmend schneller werdend auf mich los zu hetzen. Usain Bold hätte an diesem bulligen menschenverachtenden Beschleunigungsmonster seinen Spaß gehabt. Mir hingegen, verging dieser urplötzlich und für lange Zeit. Meine Phantasie, immer dann zu Höchstleistungen bereit, sobald es darum ging, schon für sich gesehen dramatische Situationen weiter ins Unermessliche zu steigern, skizzierte blitzschnell einen auf mich zu stampfenden, fauchenden Ork. Wie selbstverständlich fügte sich diese Bild der Verdammnis in die jetzt nach Moder und Menschenass stinkende Landschaft der Kalteiche ein. Die Zeit verstrich wie im Flug. Der komischerweise zu Beginn noch auf allen Vieren auf mich zu galoppierende Ork erklomm mit seinen Vorderläufen blitzschnell meinen Oberkörper, legte seine bereits blutverschmierten Tatzen auf meinen Schultern ab und sorgte so dafür, dass wir uns auf Augenhöhe gegenüber standen. Ich roch kaltes Menschenblut. Er starte mich an und warte auf irgendein feiges Gestammel, dass ich zum Sterben doch noch viel zu jung sei. Ich brachte jedoch keinen Ton heraus. So schwiegen wir uns sekundenlang einfach nur an. Ganz schwach und undeutlich vernahm ich den letzten verzweifelten Ruf des Ork-Besitzers ...“haben sie bitte keine Angst, er will nur Guten Morgen sagen“...  Na toll,  das kam aber jetzt reichlich spät. Meine Phantasie hätte sich also getrost diese Mobilisierung düsterer Bilder eines Massakers sparen können. Der Hund ließ inzwischen von mir ab, drehte aber weiterhin eine Runde nach der anderen um mich herum. Diese zweite Frühstück wollte er sich freiwillig immer noch nicht vermiesen lassen. Spürbar viele Minuten später erreichte uns das Herrschen und stammelte irgendetwas von „Entschuldigung“ und „ich habe Sie einfach zu spät gesehen“... Tja, was soll man dazu sagen. Ein ausgewachsener Labrador, scheinbar komplett erziehungsrenitent, ein Hundehalter, nicht erziehungsfähig. Ich hatte einfach keine Lust auf eine nichts bringende Diskussion darüber, dass ein Hund im Wald an die Leine gehört. Der zweite Hund schaute sein Herrschen ein wenig hilfesuchend und verzweifelt an. Er hatte leider keine Möglichkeit sich an diesem kecken Spielchen zu beteiligen. Er war jedoch, wie es sich gehört, angeleint. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Wortkarg aber innerlich ziemlich angefressen setzte ich meinen Lauf unverdrossen fort. Ich habe einen Ork, einen willigen Vollstrecker der dunklen Mächten Saurons überlebt, was soll mir jetzt noch passieren. 

Das Phantasiebild
.... und das zum verwechseln ähnliche Original:
Nichts. Was soll noch angsteinflößender sein als ein Ork im täuschend echt aussehenden Labradorgewand? Mir viel auf die Schnelle nichts ein. Ich war wieder auf einer meiner Lieblingspassagen unterwegs. Dieser Abschnitt des Grubenwanderweges windet sich fast ohne nennenswerte Steigung oberhalb des Landeskroner Weihers bis ans Ende des Südsiegerlandes. Riesige Windräder, von der politischen Unvernunft der Regierenden der Gemeinde Wilnsdorf (noch) abgelehnt, gedeihen einige Meter weiter südlich auf hessischer Seite extrem prächtig. Und es sollen dort noch mehr werden. Tja, Atomstrom will keiner, Windräder will keiner, Kohlekraftwerke will keiner, Stromtrassen will auch keiner ... aber auf den Strom aus der Steckdose will auch keiner nur ansatzweise verzichten. Abgelenkt durch diese politischen Lagerkämpfe kleinbürgerlicher Verzweiflung, schreckt mich ein unvermitteltes Rascheln im Wald auf. Nach dem gerade erst verdauten Vorfall von eben, versetzte sich mein Körper schlagartig und ohne mein bewusstes Zutun in eine komplett übertriebene Abwehrhaltung. Bruchteile einer Sekunde später stellte sich dies als absolut richtig heraus. Denn kurz vor mir raste ein Wildschwein von links kommend quer über den Waldweg. Ach du Sch.... Das sofort eingeleitete Bremsmanöver abgeschlossen, schoss mir sofort der Gedanke durch den Kopf, dass dies wahrscheinlich kein Einzelgänger war. Ich sollte recht behalten, eine Rotte von gut 15 Tieren jagte pfeilschnell und ohne mich auch nur eines Blickes zu würden, nicht dass ich deshalb beleidigt gewesen wäre, knapp 10 Meter vor mir über den herbstlaubträchtigen Waldweg. Ich konnte diese wildgewordene Herde noch einige Sekunden weiterverfolgen, ehe dann auch die letzte Sau wieder im Wald verschwand. Ach du meine Güte. Auf die Schnelle hätte ich im näheren Umkreis keinen schutzbietenden Kletterbaum gefunden. 
Auch das war nochmals gut gegangen. Wochenlang trottet man relativ ereignislos durch die heimischen Wälder und dann sowas. Ich hatte  inzwischen gut die Hälfte meiner geplanten Strecke absolviert und sehnte mich ungewohnt intensiv in den vermeintlichen Schutz meiner eigenen vier Wände. 
Aber noch ein weiteres Ereignis sollte zu der Eigenartigkeit dieses Laufes beitragen. Surreal, aber ausnahmsweise extrem friedlich und schön, stand rechter Hand am Waldrand ein Tannenbaum. Es war ein mit bunten Kugeln geschmückter Weihnachtsbaum. Viele Kugeln zierten mitten im Wald diese kleine Tanne. Ich war so begeistert von dieser Idee, dass ich mir vornahm bei meiner nächste Runde eine Weihnachtsbaumkugel von Zuhause mitzubringen, um sie ebenfalls an diesen Baum zu hängen.



So findet dieser Lauf an dem 2. Adventssonntag, trotz all der nicht immer angenehmen Erlebnisse, doch noch ein ziemlich versöhnliches Ende.

Das Wochenprogramm komprimiert:

1 Kommentar:

  1. Hallo,

    danke dass du meinen Blog verlinkt hast. Super deine Motivation und mit wieviel Liebe du diesen Blog schreibst. Weiter so!

    Run ON!
    Willi

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