Regen – ein "Ork" – und vieles Aufregendes
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Nach 2 Läufen vom Arbeitsplatz nach Hause sah die Wochenplanung zum Abschluss
noch einen langen langsamen Lauf vor. Sonntagmorgen um 7:30Uhr machte ich mich
bei strömendem Regen auf den Weg. Die anfängliche Dunkelheit überbrückte ich
mit einem Streckenabschnitt entlang der Landstraße und anschließend durch das
Industriegebiet Lehnscheid. In Wilnsdorf angekommen, ließ der Regen etwas nach
und die Lichtverhältnisse wurden auch spürbar besser. Auf der Höhe des
Wielandhofes bog ich nach rechts in Richtung des „Grubenweges“ ab, als ich knapp 100
Meter vor mir zwei Männer mit einem Hund entdeckte. Fast zeitgleich drehten sich
die Beiden zu mir um und einer von ihnen begann sofort mit hektischen aber
bestimmten Handzeichen anzudeuten, dass es definitiv besser wäre meinen Lauf doch
für einen kleinen Moment zu unterbrechen. Warum? Unangekündigte Dopingkontrolle?
Kostenloser Laktattest? Erdloch? Weit gefehlt ... denn genau auf halber Distanz
zwischen den beiden Männern und mir malte sich am Waldrand ein zweiter Hund von
beachtlicher Größe im Unterholz ab. Dieser Hund befand sich unübersehbar in
einer bedeutungsvollen, ernstzunehmenden und nicht leichten Entscheidungsphase.
Er hatte offensichtlich die folgende Wahl: Sollte er seinem inzwischen immer lauter
rufendem Herrschen folgen und einfach, banal und ebenso langweilig nur „Sitz
machen“, um genervt abzuwarten wieder an die leidige Kette gelegt zu werden, oder würde
es nicht doch wesentlich mehr Spaß machen dem leuchtend gelb/orange gekleideten,
angstverschwitzten „Spielzeug“ einen Aufmerksamkeitsbesuch abzustatten. Das
Herrschen schien langsam aber sicher die Geduld zu verlieren. Es ging zwar um mich,
aber ich war wohl der Einzige der an der Situation nichts ändern konnte. Auch der
Hund schien seiner Entscheidung immer näher zu kommen. Sein ganzes Interesse
galt inzwischen ausschließlich mir. Es war so weit, die Hängepartie fand ein Ende. Er fokussierte sabbernd
das Neue, das Unbekannte, den mit Reflektionsstreifen zugekleisterten,
bewegungslosen Angstschisser. Kurz bevor die wieder angelegte Leine für eine gewisse
Deeskalation und Entspannung hätte sorgen können, begann er langsam trabend,
aber zunehmend schneller werdend auf mich los zu hetzen. Usain Bold hätte an
diesem bulligen menschenverachtenden Beschleunigungsmonster seinen Spaß gehabt.
Mir hingegen, verging dieser urplötzlich und für lange Zeit. Meine Phantasie, immer dann zu Höchstleistungen bereit, sobald es darum ging, schon für sich gesehen dramatische Situationen
weiter ins Unermessliche zu steigern, skizzierte blitzschnell einen auf mich zu
stampfenden, fauchenden Ork. Wie selbstverständlich fügte sich diese Bild der
Verdammnis in die jetzt nach Moder und Menschenass stinkende Landschaft der
Kalteiche ein. Die Zeit verstrich wie im Flug. Der komischerweise zu Beginn
noch auf allen Vieren auf mich zu galoppierende Ork erklomm mit seinen Vorderläufen
blitzschnell meinen Oberkörper, legte seine bereits blutverschmierten Tatzen
auf meinen Schultern ab und sorgte so dafür, dass wir uns auf Augenhöhe gegenüber
standen. Ich roch kaltes Menschenblut. Er starte mich an und warte auf irgendein
feiges Gestammel, dass ich zum Sterben doch noch viel zu jung sei. Ich brachte
jedoch keinen Ton heraus. So schwiegen wir uns sekundenlang einfach nur an. Ganz
schwach und undeutlich vernahm ich den letzten verzweifelten Ruf des Ork-Besitzers ...“haben sie bitte keine Angst, er will nur
Guten Morgen sagen“... Na toll, das kam aber jetzt reichlich spät. Meine Phantasie hätte
sich also getrost diese Mobilisierung düsterer Bilder eines Massakers sparen
können. Der Hund ließ inzwischen von mir ab, drehte aber weiterhin eine Runde
nach der anderen um mich herum. Diese zweite Frühstück wollte er sich
freiwillig immer noch nicht vermiesen lassen. Spürbar viele Minuten später erreichte
uns das Herrschen und stammelte irgendetwas von „Entschuldigung“ und „ich habe Sie
einfach zu spät gesehen“... Tja, was soll man dazu sagen. Ein ausgewachsener
Labrador, scheinbar komplett erziehungsrenitent, ein Hundehalter, nicht
erziehungsfähig. Ich hatte einfach keine Lust auf eine nichts bringende Diskussion
darüber, dass ein Hund im Wald an die Leine gehört. Der zweite Hund schaute
sein Herrschen ein wenig hilfesuchend und verzweifelt an. Er hatte leider keine
Möglichkeit sich an diesem kecken Spielchen zu beteiligen. Er war jedoch, wie
es sich gehört, angeleint. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Wortkarg aber
innerlich ziemlich angefressen setzte ich meinen Lauf unverdrossen fort. Ich
habe einen Ork, einen willigen Vollstrecker der dunklen Mächten Saurons
überlebt, was soll mir jetzt noch passieren.
Das Phantasiebild
.... und das zum verwechseln ähnliche Original:
Nichts. Was soll noch
angsteinflößender sein als ein Ork im täuschend echt aussehenden Labradorgewand?
Mir viel auf die Schnelle nichts ein. Ich war wieder auf einer meiner
Lieblingspassagen unterwegs. Dieser Abschnitt des Grubenwanderweges windet sich fast ohne nennenswerte Steigung oberhalb des Landeskroner Weihers bis ans
Ende des Südsiegerlandes. Riesige Windräder, von der politischen Unvernunft der
Regierenden der Gemeinde Wilnsdorf (noch) abgelehnt, gedeihen einige Meter
weiter südlich auf hessischer Seite extrem prächtig. Und es sollen dort noch
mehr werden. Tja, Atomstrom will keiner, Windräder will keiner, Kohlekraftwerke
will keiner, Stromtrassen will auch keiner ... aber auf den Strom aus der
Steckdose will auch keiner nur ansatzweise verzichten. Abgelenkt durch diese
politischen Lagerkämpfe kleinbürgerlicher Verzweiflung, schreckt mich ein
unvermitteltes Rascheln im Wald auf. Nach dem gerade erst verdauten Vorfall von
eben, versetzte sich mein Körper schlagartig und ohne mein bewusstes Zutun in
eine komplett übertriebene Abwehrhaltung. Bruchteile einer Sekunde später
stellte sich dies als absolut richtig heraus. Denn kurz vor mir raste ein Wildschwein
von links kommend quer über den Waldweg. Ach du Sch.... Das sofort eingeleitete
Bremsmanöver abgeschlossen, schoss mir sofort der Gedanke durch den Kopf, dass
dies wahrscheinlich kein Einzelgänger war. Ich sollte recht behalten, eine
Rotte von gut 15 Tieren jagte pfeilschnell und ohne mich auch nur eines Blickes
zu würden, nicht dass ich deshalb beleidigt gewesen wäre, knapp 10 Meter vor
mir über den herbstlaubträchtigen Waldweg. Ich konnte diese wildgewordene Herde
noch einige Sekunden weiterverfolgen, ehe dann auch die letzte Sau wieder im
Wald verschwand. Ach du meine Güte. Auf die Schnelle hätte ich im näheren Umkreis keinen
schutzbietenden Kletterbaum gefunden.
Auch das war nochmals gut gegangen. Wochenlang trottet
man relativ ereignislos durch die heimischen Wälder und dann sowas. Ich hatte inzwischen gut die Hälfte meiner geplanten
Strecke absolviert und sehnte mich ungewohnt intensiv in den vermeintlichen
Schutz meiner eigenen vier Wände.
Aber noch ein weiteres Ereignis sollte zu der
Eigenartigkeit dieses Laufes beitragen. Surreal, aber ausnahmsweise extrem
friedlich und schön, stand rechter Hand am Waldrand ein Tannenbaum. Es war ein
mit bunten Kugeln geschmückter Weihnachtsbaum. Viele Kugeln zierten mitten
im Wald diese kleine Tanne. Ich war so begeistert von dieser Idee,
dass ich mir vornahm bei meiner nächste Runde eine Weihnachtsbaumkugel von
Zuhause mitzubringen, um sie ebenfalls an diesen Baum zu hängen.
So findet dieser Lauf an dem 2. Adventssonntag, trotz all der nicht immer
angenehmen Erlebnisse, doch noch ein ziemlich versöhnliches Ende.
Hallo,
AntwortenLöschendanke dass du meinen Blog verlinkt hast. Super deine Motivation und mit wieviel Liebe du diesen Blog schreibst. Weiter so!
Run ON!
Willi