Trotz einer absolut nervigen und zeitlichen extrem angespannten Umzugswoche stehen meine Tochter und ich um 8:45 Uhr in Bonn am Start. Meine Frau begleitet uns und sorgt für die motivierende Stimmung vor dem Start und an so einigen wichtigen Punkten direkt an der Strecke. Danke !!! Sie wäre viel lieber mitgelaufen. Aber bedingt durch eine Verletzung und dem daraus resultierenden Trainingsrückstand hat die Gesundheit oberste Priorität.
Die Sonne scheint. Die Temperaturen dümpeln noch im einstelligen Bereich. Wir ordnen uns gemäß unseren bisherigen Zeiten in dem "blauen" Startblock ein. Der Startschuss für die ganz Schnellen der Halbmarathonläufer fällt pünktlich um 8:45 Uhr. Erst später erfahren wir, dass unser Bundespräsident Christian Wulff diesen ersten Block auf die Strecke geschickt hat. Vor uns geht der „schwarze“, „magenta-farbene“, „rote“ und „grüne“ Leistungsblock auf den Weg. Bedingt durch einen engen Streckenabschnitt sofort nach dem Start, hat man im hinteren Bereich des Startfeldes das Gefühl , dass jeder Läufer einzeln im Minutenabstand losgeschickt wird. Na ja, so schlimm war es jetzt auch nicht, aber wir mussten schon über eine halbe Stunde in unserem rosafarbenen Regenshirt, einigermaßen gegen die Kälte geschützt, warten. Aber dann .... 10 – 9 – 8 - 7 - 6 - 5 - 4 - 3 – 2 - 1 ... es geht endlich los. Größeres Gerangel bleibt aus. Die Läufer gehen recht gesittet, ohne den Stress bereits auf den ersten Metern das Rennen gewinnen zu müssen oder gar verlieren zu können, ins Rennen. Nach knapp 400 Meter taucht uns die Sonne in ihr wärmendes Licht. Das tut richtig gut. Wir lassen die ersten Kilometer recht locker angehen und horchen ab und an in unseren Körper hinein. Die zurückliegende Woche war für unsere Tochter durch ihre Wohnungsrenovierung schon sehr anstrengend und nervenaufreibend. Das Schleppen von Waschmaschine, Trockner, Spülmaschine und anderem schweren Gelump, hat mich Samstagabend recht geschafft ins Bett fallen lassen. Auch wenn unsere Anreise nur knapp eine Stunde beträgt, so hat uns der Wecker am Lauftag doch bereits um 5:00 Uhr aus dem Bett geklingelt.
Die ersten 5 Kilometer legen wir in einem erstaunlich lockeren Schnitt von 5:42 Min/km zurück. Es macht richtig Spaß in dem Läuferfeld dabei zu sein. Training und „Wettbewerb“ sind doch zwei total unterschiedliche Herausforderungen. Da die Vorbereitung weitestgehend unproblematisch verlief, konnten wir uns ohne größere Bauchschmerzen auf diesen Lauf freuen. Uns geht es auf der Strecke sensationell gut. Wir geben die gemeinsame Parole aus bis Kilometer 10 dieses Tempo zu halten und dann nochmals alle laufrelevanten Körperteile und Lebensfunktionen auf eventuelle Probleme abzuklopfen. Bei Kilometer 10 haben wir immer noch eine KM-Durchschnittszeit von 5:41 Minuten. Unseren Plan, die HM-Distanz unter 2 Stunden zu finishen, den wir eigentlich nach unserem 10km Tempotestlauf längst begraben hatten, kramen wir doch wieder aus. Er scheint überraschender Weise doch wieder in greifbare Nähe zu rücken. Auch auf der zweiten Hälfte der Strecke zeigt uns die „
Garmin 310XT“ nach jedem gelaufenen Kilometer grünes Licht für eine Endzeit von unter 2 Stunden. Der „virtuelle Partner“ – lediglich auf 5:50 eingestellt, lässt uns bereitwillig ziehen und verschwindet langsam aber sicher weit hinter uns. Wir laufen in einem Wohlfühltempo, dass zu jeder Zeit einen kleinen Plausch zulässt. So lassen wir die letzte Woche, mit all ihren Problemen und Widrigkeiten ganz weit hinter uns. Meine Frau erwischt uns knapp 300 Meter vor dem Ziel und ruft uns noch „Nie mehr blauer Startblock“ hinterher. Überglücklich und ziemlich stolz passieren wir in 1:57:33 die Ziellinie. Für die letzten 11,1 Km sind wir im Durchschnitt eine 5:28 gelaufen. Auf die Gesamtdistanz von 21,1km beträgt die KM-Durchschnittszeit 5:34 Minuten. Für den letzten Kilometer, unterstützt von dem tollen Bonner Publikum, zeigt die Uhr lediglich 4:59 Minuten an. Nach dem Empfang unserer verdienten Medaille im Auslaufkorridor, gehen wir sofort ins Rewe-Verpfegungs-Dorf, um uns mit Cola, Wasser und Teigbällchen zu stärken. Meine Frau stößt kurze Zeit später zu uns und freut sich mit uns, über diesen wirklich schönen Lauf. Jetzt, mit knapp 15 Minuten Abstand, sind wir uns sogar schon sicher, die Strecke noch schneller laufen zu können. Körpereigen produzierte Drogen sorgen scheinbar kurz nach der Belastung zu einen Hang der Selbstüberschätzung. Aber Spaß beiseite, wir sind zu keinem Augenblick in einem Grenzbereich gelaufen. Dieser gemeinsame Lauf sollte Spaß machen, und dass hat er auch, auf jedem einzelnen Kilometer.
Bonn ... vielleicht bis zum nächsten Jahr ... möglicherweise aber wieder in einer anderen Besetzung.