Freitag, 19. September 2014

Ein Neubeginn !?

Fakt: Meine Widersacher sind zu dritt

Bislang hatte es mein Kopf nur mit einem Gegner zu tun: Mit meinem inneren Schweinehund. Diesen hatte er mehr oder weniger gut im Griff. Denn in Anbetracht der geschulten Willenskraft eines Biel-Finishers war er zu einem kleinen, müden, angriffslosen Köder verkümmert.  Aber am 18.05.2014 um 11:08 Uhr geschah meine nachhaltige, persönliche Katastrophe. Nach einem gemeinsamen, lockeren, langsamen Sonntagslauf mit meiner Frau, wollte ich noch eine kleine Runde dranhängen. Das sollte sich bitter rächen. Ok, wahrscheinlich wäre es früher oder später sowieso passiert.
Leicht bergab laufend, auf einem schmalen Weg, ließ ein nicht zu überhörender Knacks in meinem rechten Knie den Wald mit all seinen Geräuschen um mich herum urplötzlich verstummen. „Ach du meine Sch...., was war das denn?“ Es war natürlich niemand in meiner Nähe, der mir bei der Beantwortung dieser Frage hätte helfen konnte. Selbst auf eigene Erfahrungswerte konnte ich nicht zurückgreifen. Dummerweise wurde dieses unschöne Geräusch von einem stechenden Schmerz begleitet, der aber schnell nachließ. Keine Schwellung, kein Bluterguss, keine Wärmeentwicklung. An ein Weiterlaufen war aber trotzdem nicht zu denken, da ein sofort einsetzendes Ziehen an der Knieinnenseite die eindeutig besseren Argumente auf seiner Seite hatte.
Ich habe keine Ahnung, wer hier mitliest, ob sich das überhaupt jemand antut. Aber meine anschließend ausgestoßenen Kraftausdrücke spare ich mir vorsichtshalber an dieser Stelle. Es waren sehr viele und selbst heute blubbern sie noch ab und an komplett ungesteuert aus mir heraus. Viele von ihnen kannte ich bis zu diesem Zeitpunkt nur aus Funk und Fernsehen. 

Ich trottete recht angeschlagen, hilflos und sichtbar geknickt nach Hause. „Das wird schon wieder, mach erst mal ein paar Tage Pause und schone  dich.“ Meine Familie versuchte mit allem was ihr möglich war zu helfen. Aber irgendwie kamen ihre Botschaften nicht in meinem Innersten an. Aus gutem Grund. Nichts knackt derart laut für nix und wieder nix. Diese Botschaft meines Körpers konnte und wollte ich nicht ignorieren. Auch die gebetsmühlenhaft wiederholte Selbstheilungsfloskel meiner Mutter „...was kommt, geht auch wieder...“ prallte kommentarlos an mir ab.
Radfahren und wandern konnte ich weiterhin absolut ohne Probleme. Jedoch die kleinsten Laufversuche wurden sofort und unmissverständlich mir diesem  ziehenden Schmerz quittiert.
In meinem grundsätzlich auf Horror getrimmten Gehirn spielten sich alle möglichen Szenarien ab. Bis hin zum absoluten "worst case", dem „unhappy triad“, kam dabei alles vor.
Zu diesem Begriff lasse ich mal kurz wikipedia zu Wort kommen:

„Der englische Begriff Unhappy Triad (dt. ‚unglückliche Triade‘) beschreibt die Kombination aus einem Riss des vorderen Kreuzbandes (lat. Ligamentum cruciatum anterius), des Innenmeniskus (Meniscus medialis) und des medialen Kollateralbandes (Innenband) (Ligamentum collaterale tibiale). Das Verletzungsmuster wurde 1950 von O'Donoghue beschrieben[1] und von ihm 1964 als Unhappy Triad bezeichnet.[2][3]Als Ursachen sind häufig sogenannte „Flexions-Valgus-Außenrotations-Verletzungen“ angenommen worden. Das heißt, dass das Knie leicht gebeugt, in die X-Bein-Stellung und bei stehendem Unterschenkel nach außen gedreht wird. “

Meine Gedanken kreisten rasend schnell und auch pausenlos in meinem Kopf umher. Daher brauchte ich dringend Gewissheit. Also ab zum Orthopäden. Das ist die Kurzversion. Denn zwischen dem Anruf in der Praxis und meinem Termin lagen dann doch einige Wochen quälende Wartezeit.  Der Orthopäde schloss zum Glück einige Möglichkeiten sofort  aus. Schubladentest !? Negativ, also kein Kreuzbandriss. Beinachsen ok, Kniestabilität ok.  Aber einen Verdacht hatte er dann doch recht schnell geäußert. Das erfolgte Röntgen brachte natürlich keine Gewissheit.  Also musste zur Bestätigung des sehr wahrscheinlichen Innenmeniskusproblems ein MRT her. Ein gerade freigewordener Termin bewahrte mich vor einer sehr langen Wartezeit.
Diese Aufnahmen lieferten dann endlich die nötigen Fakten:  Größerer Innenmeniskusriss und kleine Risse im Außenmeniskus. Ich hatte das Glück, dass 3 Ärzte unabhängig voneinander diesen Befund bestätigten. Von allen wurde mir zu einer sofortigen OP geraten.
Gesagt, getan.
Diagnose:  Innen- und Außenmeniskusläsion, medialer Knorpelschaden 3. Grades (femoral) rechts
Therapie:  Arthroskopie, Innen- und Außenmeniskusteilresektion, Knorpelglättung rechts (OPS 5-812.5, 5-812.eh)

Damit wurden die "Karten" neu gemischt. Denn nun hatte mein Kopf mit dem Meniskus den Gegenspieler Nummer zwei sehr deutlich zu Gesicht bekommen. Diese OP brachte zeitglich auch den nächsten Klopper an Tageslicht. Dieser brachte sich ebenfalls recht breitbeinig in Stellung: Ein nicht zu vernachlässigender und genauso wenig wegzudiskutierender Knorpelschaden im Knie.
Meine Widersacher waren nun zu dritt. Seiner ehemals sehr dominanten Stellung bereits etwas beraubt, schaut mein innerer Schweinehund inzwischen noch ein wenig trauriger aus der Wäsche. Er hat den berechtigten Eindruck gewonnen, ab sofort in einer gewissen Bedeutungslosigkeit zu versinken. Damit könnte er durchaus recht haben, denn die beiden anderen bauen sich inzwischen mit einer unübersehbaren Drohkulisse vor mir auf.


Nun die alles entscheidende Frage: 

                       Wie geht es weiter bzw. geht es überhaupt weiter?

Befund akzeptieren und den Kopf in den Sand stecken? Die "MeniskusSchnipplerin" und auch der Orthopäde ließen keinen Zweifel daran, dass Radfahren auch eine schöne Form der Fortbewegung sei. Da hätte ich bestimmt dauerhaft weniger Probleme mit meinem Knie.
Mein Schwager, der Anästhesist des Eingriffs, sieht das alles ein wenig entspannter. Er meint, in unserem Alter sieht es im Knie halt so aus. Nichts Unnormales. Und sein Meniskusriss liegt schon Jahrzehnte zurück. 3x in der Woche laufen, vielleicht nicht mehr die ganz langen Kanten, sollten aber weiterhin drin sein.

Der heutige Blogeintrag scheint ein wenig länger zu werden. Nach der doch etwas längeren Schreibpause und dem für mich doch extrem wichtigen Thema, sei dies einfach mal erlaubt, oder !?
Da muss der geneigte Leser jetzt einfach mal durch. Außerdem hat er ja jederzeit die Chance sich mit dem Auslösen des kleinen "x" rechts oben, oder mit einem geschmeidigen Fünf-Fingerwisch aus dieser Nummer zu verabschieden. Ich dagegen habe das Thema jetzt ein Leben lang an der Backe. Ziemlich simple ausgedrückt, aber so ist das nun einmal. 


Ein Knacks, der das Leben verändert.

--- Schnitt ---

Bevor jetzt die Pferde entgültig mit mir durchgehen, muss ich mein überschaubares Schicksal in Relation zu einem wirklichen Unglück setzen. Daher möchte ich an dieser Stelle sehr gerne einen Läufer erwähnen, der durch einen wesentlich dramatischeren Einschnitt, eine ganz andere Aufgabe zu gewältigen hatte.
Das Positive vorweg: Helmut Pühringer hat diese Ausgabe bewältigt. Davor ziehe ich meinen Hut voller Ehrfurcht,  Hochachtung und Anerkennung
 

Sein steiniger Weg ist auf der Homepage der „Bieler Lauftage“ nachzulesen.
http://www.100km.ch/index.php/de/home/297-ein-persoenliches-100er-erlebnis
 

Wenn jemand wirklich einen Grund zum Jammern hatte, dann Helmut Pühringer. Er ist ein Beispiel dafür, dass man im Leben niemals vor Schicksalsschlägen gefeit ist. Aber dann kommt es darauf an, wie man sich ihnen stellt und mit ihnen umgeht.
 

----
 

Also, es muss weitergehen. Auch für mich. Daher habe ich nach langem Ringen und Lesen eine recht umfassende Strategie entwickelt, die mich ab jetzt begleiten wird. Klingt schon wieder dramatisch. Ist es aber nicht. Denn es sind viele kleine Puzzlestücke, die mir helfen sollen meinen Laufsport noch etwas länger auszuleben.

Obacht, die nachfolgende Stichwortliste zeigt auf, was es hier in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten und vielleicht auch Jahren zu verdauen gilt:

Dr. Feil
Matthias Marquart
Vibram
Nike Free
Sprengung
Barfusslaufen
Mittelfußlaufen
Vorfußlaufen
Muskulaturaufbau
Balance Pad
Thera-Band
Blackroll Orange
Glucosaminsulfat
Chondroitinsulfat
Kollagenhydrolysat
Ackerschachtelhalm / Kieselsäure
Chili
Kurkuma
Zimt
Natural Running
Amedrix Chondrofiller liquid
Hyaluron

Übrigens: Diese Liste kann jederzeit ohne Ankündigung, bedingt durch medizinische Errungenschaften, positive und/ oder negative Erfahrungen ergänzt oder gekürzt werden.

Einen Lichtblick gibt es bereits: Ich kann schon wieder mit meiner Frau eine Stunde durch den Wald laufen und auch der Anblick anderer Läufer und das Blättern in Laufzeitschriften treibt mir keine Tränen mehr in die Augen... fast keine.

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